Fünf Jahre lang hatte Michael Lustig, 34, Controller aus Leverkusen, Nackenschmerzen. Das Krafttraining, zu dem ihm sein Arzt geraten hatte, machte alles noch schlimmer. Massagen halfen nur kurz.
Bis ihm vor wenigen Wochen ein Freund zur Alexander-Technik riet. Nach wenigen Sitzungen waren die Schmerzen verschwunden. (...)
Anders als bei vielen andere Methoden, die bei körperlichen Problemen ausprobiert werden, geht es in der Alexander-Technik nicht um das Modellieren von Muskeln. Das Ziel lautet, den eigenen Körper ökonomisch zu nutzen – so, wie kleine Kinder es noch automatisch tun. Deren Effizienz ist den meisten Erwachsenen abhanden gekommen. Laut einer Erhebung der Universität Leipzig leiden etwa 62 Prozent der Deutschen unter Rückenschmerzen, 57 Prozent unter Nackenschmerzen.
Hauptursache: schlechte Haltung. Zurück auf Los also: Wer Wirbel, Gelenke und Organe nicht durch unnötige Muskelanspannung belasten will, muss Alltagstätigkeiten wie Sitzen oder Führen der Computermaus neu lernen.
Den Lohn der Mühe illustrieren Ergebnisse einer Studie, die die Mediziner Chris Steven und Roger Soames am angesehenen Kings College der University of London durchführten.
Sie entdeckten, dass mit Hilfe der Alexander-Technik Bewegungen weniger Kraft erfordern. Durch die veränderte Körperhaltung nehmen sogar Schulterbreite und Körperlänge zu. Doch damit nicht genug. »Die Technik erzielte eine ähnliche Reduktion stressbedingten Bluthochdrucks wie Betablocker – ohne Nebenwirkungen«, berichtet Stevens.
Weitere Studien belegen: Alexander-Technik hilft gegen Rückenschmerzen, Spannungskopfschmerz, Tennisarm, Asthma.
Alexander-Technik lernt man in Einzellektionen bei selbständigen Alexander-Lehrern oder in darauf spezialisierten Instituten. Alexander-Coaches kommen auch in Firmen und geben dort Kurse – etwa zur Ergonomie am PC oder zur Stressbewältigung.
Controller Lustig erhielt Einzelstunden. Zunächst musste er sich vor einen Spiegel setzen. Lustig: »Vorher glaubte ich, richtig zu sitzen: Brust raus, Bauch rein.«
Die Trainerin zeigte ihm dann an einem Plastikskelett die Haltung, in der die Halswirbel am entspanntesten sind. Ein Aha-Erlebnis. Lustig: »Je gerader ich sitzen wollte, um so mehr habe ich meinen Kopf nach hinten gepresst und so die Wirbel und Muskeln eingequetscht.«
Das Erkennen ungünstiger Bewegungsmuster ist der erste Schritt. Nur wer merkt, was schief läuft, kann im zweiten Schritt etwas ändern. Für Lustig hieß das: er musste für sich das richtige Sitzen neu definieren.
In den nächsten Stunden half ihm die Trainerin, seinen Körper ins Gleichgewicht zu bringen. Mit den Händen dirigierte sie seinen Kopf in die entspannteste Lage und verriet ihm Denkbrücken, um die Position jederzeit wiederherzustellen: »Stellen Sie sich vor, ihr Schädel sitzt lose auf der Wirbelsäule....«
Lustig versuchte es: »Früher hatte ich das Gefühl, mein Hals steckt in einer Schraubzwinge. Heute ist er locker.« Nebeneffekt: Seine Stimme klingt voller. (...)
Von Christiane Bongertz
aus: BIZZ Dezember 2001